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pxrouge FESTIVAL REVIEWS I 69. CANNES FILM FESTIVAL I Todesfugen Das Kurzfilmprogramm der "Semaine de la Critique" I VON DIETER WIECZOREK I 2016

CANNES 2016

 

Todesfugen

Das Kurzfilmprogramm der "Semaine de la Critique" in Cannes gewinnt an Tiefe

 

VON DIETER WIECZOREK

"Ascensão", Pedro Peralta

Cannes 2016

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Arnie ist ein einfacher Hilfsarbeiter auf einem Frachtschiff, einer, der seine Heimat nur selten sieht. Sein Familienkontakt beschränkt sich meist auf Geldbitten der mittelosen Angehörigen.

Cannes 2016

"Arnie", Rina B. Tsou

 

Eine Geliebte irgendwo in der Ferne ist nicht nur für Arnie der einzige emotionale Halt, verbunden mit der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr in die Heimat. Umso fataler, wenn dies Hoffnung sich ins Nichts auflöst. Rina B. Tsou rekonstruiert in seinem taiwanschen Film “Arnie” vorwiegend in nächtlichen Szenerien, schummerigen Kunstlicht und grünbräulicher Farbtongebung den eingezwängten Alltag asiatischer Matrosen, für die ein Alkoholrausch oft der einzige Fluchtort ist. In einen solchen Rausch implantiert Tsou eine Traumpassage als einziger Lichtblick des Filmes, in der Arnie auf eine andere Verlorene trifft und kurze Momente der Zärtlichkeit möglich werden, bevor die brutale Realität wieder ihr Recht einklagt. Gleichzeitig handelt Tsous Werk von Freundschaft, Hilfestellungen und Solidarität unter Entheimateten und Entrechteten, die selbst auf ihre schlechte Bezahlung zuweilen vergeblich warten.

 

 

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Im morgendlichen Nebeln, in dunkle Grünblautöne getaucht, entwickelt Pedro Peralta in “Ascensão” eine Wiederauferstehungsszene, die ein quasi religiöses Geschen in eine Naturlandschaft versetzt, doch zugleich die Ikonologie christlicher Malerei in Erinnerung hält. Ein junger Mann stürzte in eine Brunnen. Der Film beginnt mit dem mühsamen Heraufhieven seines Körpers ans Tageslicht. In langsamen Kamerabewegungen, die oft auf Gesichtern verweilen und die Ereignisse nur im Off per Ton referieren, situiert sich ein mystische Jenseitigkeit suggerierendes Szenarium, in dem die langsame Wiederkehr zum Leben des Gestürzten in den Armen der Mutter nicht mehr überrascht. Nach langen Blickwechseln macht sich der Gerettete sprachlos davon, begleitet von den Blicken einer ihn wundergläubig verfolgenden Menschengruppe. Während des gesamten Films wird kein wirklich artikulierter Satz gesprochen. Ohne Stereotypen zu verfallen bezeugt der portugiesische Film eine explizite Melancholie der Existenz. Die Rückkehr zum Leben wird fast als Erleiden spürbar. Nicht eine Flug von Freunde auf einem den Gesichtern der Umstehenden. Ein kurzes Lächeln der Mutter bleibt die einzig vitale emotionale Reaktion des Filmes. Ansonsten prägen Andacht, Verstörung und Devotion den emotionalen Rahmen dieses fremdartigen und faszinierenden Werkes.

 

Cannes 2016

"Ascensão", Pedro Peralta

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Cannes 2016

“Los pasos del agua (Water Steps)", César Augusto Acevedo

 

Eine vergleichbar unbestimmbare Situation kennzeichnet auch “Los pasos del agua“ (Water Steps) des kolumbianischen Regisseurs César Augusto Acevedo. Auch in seinem Film konfrontiert sich mit dem Tod. Zu Beginn weilt die Kamera auf einen am Boden liegenden, entkräfteten Körper. Offensichtlich in einem Netz gefangen wird er von zwei einfachen Fischern ans Land gezogen und dann durch Wälder transportiert, um schliesslich erneut von ihnen in ein Gewässer eingetaucht zu werden. Nur wenige karge Dialoge finden sich in dem Werk “Man sollte nicht ohne Land und ohne Namen sterben”, sagt einer der Fischer. Auch sie beklagen ermordete Familienangehörige. Daraufhin graben schweigsam ein Grab, derweil der wieder zu Kräften gekommene durch den Wald irrt, um schliesslich dann doch in apathischer Ruhe und ohne jeden Widerstand dem Wasser preisgegeben zu werden. Bemerkenswerter Weise bietet die offizielle Synopsis des Films kaum mehr Klarheit, suggeriert dagegen eine simple Story. Der Film spricht jedoch dagegen eine andere, weit enigmatische Sprache. Auch Acevedos Werk ist charakterisiert durch eine irritierende Interferenz, ein Agieren im Zwischenreich von Leben und Tod. Bei ihm dominiert eine rätselhafte, apathische Todesbejahung.

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Selbst in dieser Umbebung bereits recht fremdartiger, unbestimmbarer Terrains ragt ein Film noch besonders hervor, dessen enigmatische Komplexität noch verstärkt wird durch eine innovative Filmsprache, die jede Szene zu kompositorischer Eindringlichkeit verdichtet, an Meisterwerke der europäischen Malerei erinnernd. “Limbo” der griechischen Realisateurin Konstantina Kotzamani lässt unterschiedliche Themenfelder sich durchdringen, wie Ausschluss und Bedrohung von Aussenseitern, Mechanismen der Schuldzuweisung gegen Fremde und diverse Formen der  Todeskonfrontation. Ein gestrandeter Wal bildet das metaphorische Kraftzentrum des Filmes, erneut ein Zustand zwischen Tod und Leben herauf beschwörend. Dieser massive Todeskörper gibt in der verstörten kleinen Ortschaft am Rande des Meeres zu unterschiedlichen Gefühlen und Reaktionen Anlass. Die Jugendlichen, beunruhigt durch diese Präsenz des Unbestimmbaren, versuchen in religiösen Ritualen Antworten zu finden und die Bedrohung zu bannen, doch als durch einen Unfall während einer Prozession eine Maria-Statuette in Flammen aufgeht, potenzieren sich ihre Ängste noch.

 

Cannes 2016

"Limbo", Konstantina Kotzamani

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Eine andere (psychologisierende) Todeskonfrontation vollzieht sich im Imaginären, getragen von Gruppenhysterie. Die Jugendlichen sehen in einen isoliert lebenden jungen Albino ebenfalls als Toten. Gleichzeitig wollen sie das Wesen, das ihnen fabelhaft erscheint und von dem sie sich ebenfalls bedroht fühlen,  instrumentalisieren, um es gegen den biologischen Tod, in Form des bewegungslosen Walkörpers  antreten zu lassen. In einer Reihe suggestiver Bildfolgen in Form komponierter Tableaus schafft Kotzamani ein Werk, das sich jeder schlichten Deutung entzieht und doch in jeder Szene Bedeutsamkeit evoziert. “Limbo” reiht sich  ein in die Meisterwerke der Filmkunst, lässt Tarkoswki oder Antonioni anklingen und ist doch zugleich verschlüsselter und unzugänglicher.

Cannes 2016

“Oh, What a Wonderful Feeling", Francois Jarros

 

In dieser Reihe mysteriöser Filme darf auch der kanadische Beitrag “Oh, What a Wonderful Feeling” nicht unerwähnt bleiben. Auch hier durchdringen sich unaufschlüsselbar unterschiedliche Deutungsniveaus, metaphorische, allegorische und realistische. Die Eingangszene zeigt einen Fuchs in der Mitte einer nächtlichen Strasse hockend, dem Fahrzeug ruhig und bewegungslos entgegen schauend, von dem es gleich darauf überfahren werden wird. Auch alle weiteren Szenen sind in nächtliches Kunstlicht getaucht. Auf einer ersten, realistischen Ebene sieht handelt es sich um Prostituierte bei ihrer Arbeit, die sich an Lastkraftwagenfahrer verdingen. Zuweilen werden Szenen mit einer an David Lynch gemahnende Spannung aufgeladen, ohne dass Ungeheuerliches oder auch nur Ungewöhnliches geschehe.

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Auf der anderen Seite entlädt sich eine in der Luft liegende Spannung beispielsweise an einen plötzlich und anlasslos in Flammen aufgehenden Baum. Eine finale Szene zeigt sogar einen unbändigen Waldbrand in der Ferne; Andere Insignien einer allegorischen Wirklichkeit werden durch marginale Szenen evoziert, wie etwa ein Vogelkadaver, der vom Himmel auf den Parkplatz fällt. Gefolgt von einem Blick in die kosmischen Weiten des Nachthimmels. Am Ende François Jaros’ Werkes schwebt die jüngste Prostituierte, vor ihrer Haustür abgesetzt, über der Strasse. Auch hier bietet die offizielle Synopsis keine Interpretationshilfe. Der Zuschauer verharrt in einer anhaltenden, fruchtbaren Konfusion rouge

 

 

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69. CANNES FILM FESTIVAL 2016

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11 - 22 / 05 / 2016

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