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px rouge FESTIVALS REVIEWS I 66. CANNES FILM FESTIVAL 2013 I SCHLEPPENDER AUFTAKT I VON DIETER WIECZOREK I 2013

CANNES FILM FESTIVAL

Schleppender Auftakt

Kein unbekanntes Phänomen in Cannes

 

 

von DIETER WIECZOREK

"Héli", Amat Escalantes

Heli

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So richtig rund läuft das Festival selbst am zweiten Tag wirklich nicht. Nach den Gewalt- und Foltereskalationen des in mexikanischen Mafiamilieu spielenden «Heli» Amat Escalantes, der mehr zum Wegschauen einlud und die Frage nach der Berechtigung dieser Sequenzen ausserhalb einer rein dokumentarischen Funktion aufwirft, perpetuiert auch der zweite Spieltag mit seinem Wettbewerbsfilm «Tian Zhu Ding» von Jia Zhangke (China) das Gewaltpanorama. Er bietet das schlicht kathasische Muster von „Ein Mann sieht rot“. Gewiss wird man sich in der zeitgenössischen chinesischen Gesellschaft über den Mangel an Ausbeutung, Unterwerfung, Degradierungen und Bestechung nicht beklagen könnten. Zhangke setzt hier einen Mann in Szene, der sich mit einem Schrottgewehr als Einzelgänger zur Wehr setzt und all die ohne grossen Dialogbedarf niedermäht, die die verarmten Minenarbeiter ihrer Überlebensmöglichkeiten berauben. Gleich mit auf die Abschussliste kommen all die Nebenfiguren, die nicht mehr als blosse Marionetten der Macht sind oder selbst nur zynische Beisteher. Auch ein brutaler Pferdeschinder, der sein Tier mit der Peitsche blutig schlägt, wird mit beseitigt.

Weitere Gewalteinzelgänger treten auf. Eine junge Frau, von Männern in einer Sauna sexuell attackiert, greift zum Messer und schafft sich Freiraum. Gewalt als Antwort auf generalisierte permanente Entwürdigung. Kündigt sich hier eine wirkliche Revolte in China an? Für die planetare Arbeitsweltsituation, in der Chinas Erfolg der Missachtung minimalster Sozial- und Menschenrechte geschuldet ist, wäre dies ein Hoffnungsschimmer. Doch inszeniert als eine lediglich affektive, private Racheaktion unter Druck liefert der Film nur einen bloss imaginativen und imaginären Befreiungsschlag (gegen Kassenzahlung), der in der virtuellen Kinowelt verklingt.

The Bling Ring

"The Bling Ring", Sophia Coppola

 

Sofia Coppolas (USA) neues Werk «The Bling Ring» wurde gleich in die Seitensektion «Un Certain Regard» verschoben. Eine Gruppe Teenager, allesamt gut informiert über Stars, Modeschauen und Luxusartikel, entdecken die Leichtigkeit, in die allesamt scheinbar unbewachten Villen einzudringen und sich dort frei zu bedienen. Der obszöne Reichtum, der sich dort angehäuft hat, schafft einige surrealer Bilder. Die Kids stammen allesamt aus wohlbehüteten, religiös pittoresken und wohlhabenden Familien, wo Erziehung mit Schrifttafeln praktiziert wird. Coppolas Film insistiert darauf, auf Tatsachen aufzuruhen. Trotzdem bleibt schwer verständlich, wie selbst wiederholte Einbrüche in die gleichen Villen möglich sind, als ob Alarmanlagen noch nicht erfunden seien und einige Türen der allesamt unbewachten Häuser auch noch permanent offen stehen. Erfahren tut man über die schlichten Gemüter der gutgelaunt Stehlenden wenig.

Interessant wäre auch gewesen, wie sie die zum Teil erheblichen Summen von mehreren Hunderttausend Dollars je zurückzahlen konnten. Ihre Selbstkommentare beschränken sich auf das Niveau von Selbststilisierungen und Starallüren, mit nur einer kleinen kritischen Reflektion: die Amerikaner lieben halt das Bonnie-und-Clyde Modell.

«Fruitvale Station» von Ryan Coogler, ebenfalls in «Certain Regards» präsentiert, legt den Akzent auf einen wunden Punkt der US-Amerikanischen Gesellschaft. Die anhaltende missachtende Behandlung von Farbigen in sozialen Konflikten, die in kritischen Situationen die Form purer Gewalt annimmt. Cooglers Film ist dreigeteilt. Im ersten Teil ringt ein junger, recht unbändiger farbiger Mann nach seinem Gefängnisaufenthalt um seine Reintegration in die Normalität. Kleine Unperfektionen kosten ihn allerdings seinen Job und bringen ihn in Konflikt mit seiner Frau und Mutter. Der zweite Teil zeigt ihn als liebevollen, verspielten, engagierten Familienvater, als Anwärter auf ein bürgerliches, glückliches Leben, umsäumt von Familie und Freunden. Im dritte, zweifellos wichtigste Teil ist ein einziges Showdown. In der Metro wird er am Neujahrtag von einem einstigen Mithäftling provoziert, in eine Schlägerei verwickelt und anschliessend durch einen massiven und völlig überzogenen Polizeieinsatz «versehentlich» erschlossen. Die Polizisten sind allesamt charakterisiert durch rassistisches Agieren und ungehemmte Aggressionen. Leider verbraucht das Werk in seinen ersten beiden Teilen zu viel Anlaufzeit. Das finale, überzeugend ins Bild gebrachte Sujet macht den Film jedoch sehenswert. Das us-amerikanische Schlüsselfestival Sundance ehrte den Film mit dem Publikums- und Jurypreis.

Ein kleiner Höhepunkt ist dennoch zu erwähnen. Der italienische Film «Miele» von Valerie Golino greift das Thema der aktiven Sterbehilfe auf. Eine junge Frau stellt Mittel und Medikamente bereit, um Todkranken und Todeswilligen den letzten Schritt zu erleichtern. Golinos Film gewinnt seine Stärke durch eindringliche Szenen, die klar machen, was es heisst, einem Todgeweihten in den letzten Momenten beizustehen. Die Helferin gerät in eine Gewissenskrise, als ein gesunder, brillanter älterer Mann aus reiner Lebensmüdigkeit ihren Service anfordert. Es wäre kein italienischer Film, wenn hier nicht die Chance einer sehr starken emotionalen Anziehung genutzt würde, die fast zur Liebesgeschichte sich transformiert. Doch Golino gelingt es, die Waage zu halten. Sie arbeitet mit überzeugenden, geistreichen Dialogen und Reflexionen, mehr als das, mit immer wieder eindringlichen Szenen und Einstellungen, die «Miele» als den hervorragenden Film des Tages der Hauptreihen erscheinen lassen rouge

 

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66. CANNES FILM FESTIVAL 2013

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15 - 26 / 05 / 2013

festival de cannes

A touch of sin

The Bling Ring

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