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px rouge FESTIVALS REVIEWS I 68. CANNES FILM FESTIVAL 2015 I SCHAUPLATS DER PARTIKULARITATI VON DIETER WIECZOREK I 2015

Cannes « Certain Regard »

Schauplatz der Partikularität

 

von DIETER WIECZOREK

Sélection Officielle Un Certain Regard

Festival de Cannes

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Grímur Hákonarson Rams (Hrútar) ist ein Film, der ohne ein genaues Wissen um die Lebensformen der Einheimischen im winterlichen Innenland Islands nicht denkbar wäre. In der harschen Welt bewohnen zwei erbittert befeindete Brüder, Kiddi und Gummi, benachbarte Farmen. Als Kiddi bei dem jährlichen Wettbewerb um den beeindruckendsten Bock, das Jahresserereignis in dieser abgeschiedenen Welt, den Hauptpreis gewinnt, klagt der Gummi dessen Herde an, möglicher Hort des hochansteckenden BSE-Virus (Rinderwahn) zu sein. Da der Verdacht sich bestätigt, sind allerdings nicht nur der Abgeklagte, sondern auch der Kläger sowie alle benachbarten Farmen mit verheerenden Folgen konfrontiert. Die Notschlachtung aller Tiere ist nun unvermeidlich. Zu sehr an seiner Herde hängend verbirgt Kiddi einige Schafe und Böcke in seinem Keller. Als Gummi von deren Überlebenden erfährt, werden die Befeindeten zu Notverbündeten.

Rams

"Rams" (Hrutar), Grimur Hakonarson

 

Ihre absurde Feindschaft und plötzliche Nutzfreundschaft gibt Anlass zu einer Reihe von komischen und grotesken Szenen, die dem Film seinen menschlich-allzumenschlichen Touch erteilen. Das Abladen des volltrunkenen Bruder mit dem Gabelschaufler vor dem Krankenhaus, aber auch die lebensrettende Aufwärmszene der beiden nackten Brüderkörper in einem Scheeiglo sind hier nur zwei Beispiele. Grímur Hákonarson offeriert mit Detailwissen und Geschick dieses Szenariums des alltäglichen Überlebens in widrigsten Umständen, die einzelne Farmen schnell in Orte skurriler Aktivitäten grimmiger Individualisten transformiert. Neben der ebenso mitreissenden wie subtil beobachteten Story bietet Hákonarson einen Einblick in eine ansonsten unzugängliche Welt, dessen herbe Schönheit lange nachklingt.

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Nicht minder fremdartig ist – erneut - der von Apichatpong Weerasethakul in “Cemetery of Splendour (Rak Ti Khon Kaen) Kosmos, der gleichzeitig Enigmatisch-allegorischen Realitätsdeutungen evoziert. Ausgangspunkt in dem thailändischen Film ist eine rätselhafte Krankheit, die Soldaten in Tiefschlaf versetzt. Zur Regenerierung sind sie einquartiert in einem neu errichteten Krankenhaus, dass auf dem Gelände ehemaliger Königsgräber errichtet worden ist. Diese Information wird dem Zuschauer erst durch das weibliche Medium Keng preisgegeben, das gleichzeitig über eine Kontaktaufnahme zwischen den Schlafenden und deren Eltern herzustellen vermag. Schnell entfaltet sich die für Apichatpong Weerasethakul typischen Formen labyrinthischer Verwischungen zwischen Wirklichkeit und Traum, Geschichten und Mythen, Traumata und Heilungsritualen, Faktenzitation und Delirium. Traditionelle Seherwartungen jeder Zeit widerratend ist Weerasethakul neues Werk tendenziell narrativer komponiert  als sein Vorgängerwerk “Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives”, das 2011 in Cannes die goldene Palme davontrug. Der Missklang zwischen den regelmässig ineinander übergehenden Rot und Blautönen der Neonröhren neben den Krankenbetten und dem satten Grün der umgebenden Pfalzenwelt kann als visuelle Metapher für Weerasethakul Filmtechnik stehen.

Gerade durch den Schrägklang zwischen unterschiedlichsten Wahrnehmungs- und Wirklichkeitsniveaus, deren Aneinanderreihung sich über – um Deleuze und Guattari zu zitieren -  insignifikante Brüchen vollzieht, entsteht ein halluzinatorisch durchlässiges Universum, das ein schlichtes Realitätskonzept weit überschreitet. Der Einbruch des Unbewussten, Jacques Lacan Instanz  für die Konfrontation mit dem Realen, wird hier schlicht in filmische Praxis umgesetzt. Bleibt festzuhalten, das Weerasethakul neues Tableau tendenziell hoffnungsgestimmter ist. Die Soldaten sind entschlafen. Kinder spielen in der Schlusszene auf dem Grund ehemaliger Unterdrückung und Gewalt.

 

Cemetery of Splendour

“Cemetery of Splendour”, Apichatpong Weerasethakul

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Auch Gurvinder Singh macht in “The Fourth Direction (Chauthi Koot) dem Zuschauer die Orientierung nicht leicht. Ein Handlungsstrang führt in die Zeit vor und nach dem Massaker um den Goldenen Tempel in Amritsar. Hier machte die britische Armee die im Unabhängigkampf noch vereinten, aber zahlenmässig weit unterlegenen Sikhs, Hindus und Muslime nieder. Die Rahmengeschichte dagegen bezeugt neue Konflikte und Misstrauen zwischen Sinkhs und Hindus in den 80ger Jahren in Punjan. Die Rahmengeschichte aber vermag kaum zu überzeugen als integraler Teil dieses Filmes. Hier sitzen sich in einem ausserplanmässigen Nachtzug  die zerworfenen Lager kommunikationslos gegenüber. Weit gelungener ist dagegen die Haupterzählung, die eine verängstigte Landbevölkerung während der zunehmenden Spannungen kurz vor einem sich abzeichnenden Gewalteklat ins Zentrum rückt. In ein abgelegenes Farmhaus erzwingen einige Rebellen des Nachts die dortige Familie ihre Beherbergung. Sie fordern zugleich das Töten deren geliebten Haushundes, der ihre Anwesenheit verraten könnte. Unmittelbar nach ihrem Abzug okkupieren Regierungstruppen das gleiche Haus und klagen die Familie der Kollaboration an.

Carol

“The Fourth Direction” (Chauthi Koot), Auch Gurvinder Singh

 

Die emotionalen Verwirrungen und Brutalitäten, die praktisch jeden Fremden zum potenziellen Feind machen, werden von Gurvinder Singh in Kontrast gesetzt mit splendiden Natur-Aufnahmen, die auf diese Weise als unangetasteter Parallelkosmos zur politischen Wirklichkeit evoziert wir. Der über die Reisfelder hinweg ziehende Monsun entfaltet seine eigene Anmut. Minimalismus ist die starke Seite der Filmspache Singhs, die bereits seinen Vorgängerfilm “Alms of a Blind Horse” auszeichnete. Doch Reduktion sollte nicht Anlass geben zu schlichten Repetitionen und starren überraschungslosen Figurenkonstruktion. Doch überzeugt seine Gestaltung einer klaustrophobischen Atmosphäre anhaltenden Angst, Unsicherheit und Ausgeliefertheit. Die meist nächtlichen Szenen tragen das ihre hierzu bei.

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The High Sun (Zvizdan) des kroatischen Filmemachers Dalibor Matani? kehrt zum serbisch-kroatischen Konflikt zurück. Die anhaltenden Spannungen und Hasstiraden werden über drei Jahrzehnte hinweg verfolgt. Drei Mal kreisen die Geschichten um verbotene Liebe in Zeiten befeindeter Lager. Die erste, 1991 angesetzt, führt unmittelbar ins mortale Finale durch das machohafte Verhalten des Bruders der verliebten Frau. Die zweite, zehn Jahre darauf, zeigt die Nachwirkungen der  Kriegstraumata, die es eine junge serbische Frau nur Verachtung empfinden lassen gegenüber einem gleichaltrigen Kroaten, der ohne Hintergedanken ihr mit Hilfeleistungen im Haus zur Seite stehen will. Ein weiter Zeitschnitt führt ins Jahr 2011.

Hier ist es ein damals Entflohener, der nach Jahrzehnten an die Tür seiner Ex klopft, die mittlerweile ohne sein Wissen Mutter geworden, allein ihr Kind durchgebracht hat. Verwirrend kann wirken, dass die gleichen Schauspieler die drei unterschiedlichen Paare verkörpern. Dies führt fast unvermeidlich zu einer Verknüpfung der die Handlungsstränge, mit dem Resultat einer mäandernden, unmöglichen Geschichte. Auch in Matani? Film wirkt landschaftliche Schönheit und Natur als in sich ruhender Gegenpart zum Hexenkessel der Hasstiraden zwischen den befeindeten Gruppierengen. Das weiche Abendlicht viele Szenen lässt die Utopie eines möglichen Friedens anklingen. Auch eine virulente Unterwasserszene im morgendlichen Licht verspricht eine neue, sinnenverwirrrende Wirklichkeit, ein scheinbar so nahes Paradies, doch unerreichbar für die national programmierten Protagonisten rouge

Trailer :
https://www.youtube.com/watch?v=9kzuUXCZbgA

 

The High Sun” (Zvizdan) , Dalibor Matani?

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68. CANNES FILM FESTIVAL 2015

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13 - 24 / 05 / 2015

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