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px rouge FESTIVALS REVIEWS I 68. CANNES FILM FESTIVAL 2015 I EINE FEIER DER ERFOLGSMUSTERI VON DIETER WIECZOREK I 2015

Cannes Wettbewerbsfilme

Eine Feier der Erfolgsmuster

 

von DIETER WIECZOREK

"Youth", Paolo Sorrentino

Youth

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Regelmässig bietet Cannes Festival Filme, die einen problematisierenden  Blick auf die soziale Wirklichkeit des heutigen Arbeitermilieus, werfen. Die physischen und psychischen Degradationen als Folge der in den letzten Jahren manifesten ökonomische Krise in Europa, hier am Beispiel Frankreich, thematisiert dieses Jahr Stéphane Brizé in “The Measure of a Man” (La Loi du Marche). Der Film beginnt mit einer Akt der Auflehnung eines 51jährigen Arbeitslosen, der erneut Monate verloren hat in einer Ausbildung, die ihm letztlich keine Berufschancen eröffnet. Als Kompromiss bietet man ihm einen Posten als Diebstahlkontrolleur, auch Sicherheitsbeamte genannt,  in einem Supermarkt an. Vincent Lindon, in seiner dritten Zusammenarbeit mit Brizé, spielt Thierry, diesen plötzlich arbeitslos gewordenen Familienvater mit gehandikaptem Kind, in dem ihm eigenen zurückhaltend introvertierten Stil. Er ist der einzige Professionelle in einem ansonsten vorwiegend selbstbewusst ihre eigene Rolle spielenden Amateur-Schauspielerensemble. Im sozialen Spannungsfeld der Arbeitswelt ist zwischen Gut und Böse kaum zu trennen. Lediglich unterschiedliche Grade der Demütigung und Entwürdigung lassen sich ausmachen. Ab dem Moment, da eine Kollegin Thierrys nicht nur mit hypokrid moralisierenden Argumenten erniedrigt, sondern auch mit ihrer Entlassung konfrontiert wird, deren Delikt es war, Bonuskarten gestohlen zu haben, die ihr lediglich einen minimalen Preisvorteil verschaffen, wird auch für ihn die Situation unerträglich. Er schmeisst seinen Job, unfällig in dieser mit smarter Rhetorik pure Hackordnung kaschierende Szenerie weiter agieren zu können. Brizé, der kürzlich in einer französischen Radiosendung gestand, eine Zeit lang morgens kein Radio mehr habe hören können, unfähig, den täglichen Katastrophennachrichten und Infamien zu ertragen, verfehlt nicht, auch das letzte Element dieser von Kontrollmechanismen dominierten Logik des Arbeitsmarktes in seinen Film zu integrieren: die Entlassene bringt sich vor ihrem Arbeitslatz um.

La loi du marché

"La Loi du Marché", Jahr Stéphane Brizé

 

Ein von der Firmenleitung schnell herbei gerufener Psychologe beruhigt daraufhin die Belegschaft, dass sie allesamt völlig schuldlos seien, die Frau habe eher mit privaten Problemen zu kämpfen gehabt.Teilweise im Überwachungskontrollraum gefilmt, teilweise dem Blick der Überwachungskameras direkt als Filmbild übernehmend, bringt Brizé den Stand der Dinge am Arbeitsplatz auf den Punkt, wo Kommunikation, Solidarität und Empathie durch Regelmechanismen und Sicherheitsnormen abgelöst wurden, die keinen Spielraum menschlichen Verhaltens mehr zulassen.

trailer Trailer

Es gibt Filme, die so ungeschminkt und variantenlos die einfachsten Mechanismen eines Hollywoodmovies darbieten, dass es zugleich ebenso komisch wirkt wie verärgert. Verblüfft darf man jedoch sein, wie ein solcher Film in die Kür der Wettbewerbsfilme Cannes gerät. Die US-Produktion “Sicario” ist ein solcher Film. Dennis Villeneuve fabriziert in seiner ersten Szenen das absolut Böse, eine Drogenmafia, die ihre Opfer massenweise foltert und mordet, um die Kadaver entweder in Plastiktüten einmauern und verfaulen lassen oder sie für alle sichtbar an die Masten der Stadt aufhängen. Zwei Gruppen der Gegenstreiter stellen sich diesem extrem gut organisierten – ohne Hilfe von höchster Stelle kaum denkbaren Kartells entgegen. Das FBI, das sich immer noch aufrecht erhaltenen Werten von Recht und Ordnung verpflichtet fühlt, und eine eher militärischer Spezialeinheit, für die der Erfolg alle Mittel heiligt. Für die erste Gruppe steht die redliche und tapfere FBI-Beamtin Kate, die sich plötzlich in diesem chaotischen, Gewalt durchtränkten Szenarium wieder findet und sich um Orientierung müht. An der Spitze der anderen Gruppe steht ein ausgelaugter, traumatisierte Vollstreckers, der sich kommentarlos krimineller Mittel wie Einschüchterung, Gewalt und Folter bedient, um das über Mexiko in die Staaten eindringende Kastell zu stoppen.
Die Konfrontation zwischen Staatsrecht, hier repräsentiert durch die weibliche Polizeiagentin Kate und maskuliner, militärischer altestamantarische Gewalt (Auge um Auge, Zahn um Zahn) , inkarniert durch Alejandro, nimmt auch körperliche Formen an. Und selbstredend ist es die Frau, die von Anfang an als selbstbewusst, aber naiv stigmatisiert  wird, und die noch dadurch zurück stecken muss, dass sie sich auf einen falschen, der Welt des Dämonischen zugehörigen Liebhaber einlässt, die diese Partie verliert.

Gar aus Lebensgefahr gerettet wird sie von ihm, dem militärischen Strategen, dessen Humanität ihm sozusagen durch seine erlittene Vergangenheit zurück erstattet wird, als Vater einer gefolterten und ermordeten Tochter. Nur der Weg der Rache ist hier noch eine Antwort.
In diesem gewaltübersättigten Machtspiel, das noch untermauert wird durch anhaltende, die Kinowände erschütternde Bassklänge, wird dem Zuschauer die komfortable Position des göttlichen Blicks zugestanden. Ein Panoramablick-Kamera, oft aus Flugperspektive, angefüllt mit den Klängen der polizeilichen Telekommunikation bietet die wohlbekannte und immer wirksame Form: The Empire feats back. Doch Aleandros letzter Rat signalisiert eine andere Wahrheit: er rät Kate, sich von allen Metropolen in den Staaten fern zu halten, wenn sie überleben will. Das Kartell ist bereits weit über die mexikanische Grenze hinaus aktiv.

 

Sicario

“Sicario”, Dennis Villeneuve

Trailer

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Zu heftigen Auseinandersetzungen Anlass gab auch Paolo Sorrentino “Youth”. Das  Missbehagen des Alterns ist hier Thema eloquenter Reflexionen und szenischer Potpourris zwischen Melancholie und Groteske. Für die einen ein Schaufilm auf Trailerniveau, für die anderen ein beeindruckend visuelles Werk mit bemerkenswertem Dialogniveau. Zunächst gilt festzuhalten, dass Sorrentino, wie schon in seinem lebhafteste Reaktionen herauf beschworenen habende Film  “La Grande Bellezza” in Cannes 2013, jene Ode und ein dekadent in pompöser Pracht untergehendes zeitgenössisches Rom, erneut seine Problematik in der Welt der Reichen und Versorgten ansiedelt. Hier nun ist es ein Luxushotel in der alpinen Bergwelt, wo alternde Körper mit allen nur denkbaren Kuren wieder auf Trapp gebracht werden, bevor sie sich des Abends einem Unterhaltungsprogramm zweifelhaften Niveaus hingeben. Ob es notwenig ist, in diese eh schon pervertiert privilegierten Welt auch noch eine kurz gastierende Schönheitskönigin zu platzieren, die pausenlos ihren Körper verwöhnt, bespäht von den lustentwöhnten Alten, sei dahingestellt. In Zentrum steht der Dialog zwischen zwei Freunden in den Endsiebziger, der eine Dirigent und Komponist, der sein aktives Schaffen bewusst beendete, der andere, ein immer noch aktiver Filmemacher, der sich immer wieder neu auf die Probe stellt. Da Sorrentino soziale Härten und Hemmnisse völlig ausfiltert kann der Diskurs an philosophischer Dichte gewinnen.

Youth

“Youth", Paolo Sorrentino

 

Die Lebenswirklichkeit wird befragt aus der Perspektive des Besten, das es zu offerieren hat, allen voran die Potenzialität des Kreativität. Diese aristokratische Fokussierung gilt den einen als skandalöse Provokation, den andren als ein notwendiges Reflexionsniveau. Michael Caines und Harvey Keitel souveräne Interpretationen der beiden Typen des Alterns bereichert Sorrentinos Werk ungemein. Alter wird schmerzhaft reflektiert hin auf die Frage nach den Versäumnissen, Arbeitsethik, Lebensformen, Umgang mit Schwächen und dem Wesen und Wert wirklicher Freundschaft. Intellektuell enttäuscht der Film nicht, doch die stets farbgesättigte Idylle und zuweilen ins Groteske abdriftende Gestaltung der Nebenfiguren sind bedauerlich. Die Welt des schönen Scheins wird zugleich ästhetisch gefeiert wie reflexiv unterminiert. Eine gelungene Provokation, gewiss.

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Zurück in die sozialen Härten der Nichtprivilegierten katapultiert das ebenfalls im Wettbewerb laufende Werk “Dheepan” Jacques Audiards. Nur unter dem Vorwand, ein Ehepaar mit Kind zu sein, gelingt einer allein stehenden Mutter mit Kind und einem einstigen, nun desillusionierten Widerstandkämpfer Sri Lankas Flucht und Asyl in Frankreich. Für sie alle ist dies ein schnell zu überwindendes Übergangsstadium. In der konfliktreichen Peripherie von Paris findet Dheepan eine Arbeit als Hausmeister. Seine Hoffung auf ein normales und geachtetes Leben gerät jedoch sehr bald in Konflikt mit einen hier agierenden Drogenkartell. Provoziert seine alten Kriegerkapazitäten wieder aufleben zu lassen, begibt er sich mit dem Sichelmesser in den Kampf einer gegen alle, Hollywoods wohlgefälliges Schema kopierend. Tradiertes Kriegerwissen gegen lapidar barbarische Waffengewalt kleinhirniger Berufskrimineller: das Terrain ist abgesteckt. Audard lässt es gut ausklingen.

Dem Mann gelingt nicht nur seine Selbstverteidigung, sondern er gewinnt auch nach mutigem Einsatz die wirkliche Zuwendung seiner scheinbaren Ehefrau. Eine letzte Einstellung zeigt sie vereint, und mehr als dass, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, wirkliche eingliedert und mir Respekt behandelt in ihrer neunen Umbebung. Die Stärke Audars Film liegt gewiss in der nuancierten Nachzeichnung der Gefühlsschwankungen dieser aus Not geborener Kleinfamilie zwischen Abstossung und Annäherung, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die glücklicherweise ein beachtliches Gegengewicht zu der schlichten und altbekannten Hauptnarration schaffen rouge

 

Dhepaan

"Dhepaan", Jacques Audiard

Trailer

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68. CANNES FILM FESTIVAL 2015

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13 - 24 / 05 / 2015

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