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pxrouge FESTIVAL REVIEWS I ROTTERDAM FILM FESTIVAL 2017 I VON DIETER WIECZOREK I 2017

Rotterdams Internationales Film Festival 2017

Der Aufstieg des Dokumentarischen

 

 

von DIETER WIECZOREK

"Retrett", Itonje Soimer Guttormsen

Rotterdam film festival

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Rotterdams internationaler Internationaler Spielfilm-Wettbewerb beschränkt sich weislich angesichts der massiven Konkurrenz der A-Festivals auf lediglich acht Werke. In den internationalen Kurzfilmwettbewerb um die “Tigers” wurden 24 Werke aufgenommen.


Hier bleibt vor allem der russische Beitrag ”Holy God” Vladlena Sandus in Erinnerung, ein dokumentarisch asketisches “Stillleben”. Im ersten Teil berichtet die junge Filmemacherin vor statischer Kamera mit selbstbeherrschter Stimme, vor einem heruntergekommenen Gebäude stehend, von erlittenen Greultaten während und nach der Zerstörung der tschetschenischen Hauptstadt Grosny durch russische Truppen. Den United Nation folgend galt Grosny als die zerstörteste Stadt weltweit. Mit um Fassung ringender Stimme berichtet sie von der Vertreibung aus der Stadt, gemeinsam mit ihrer Mutter und Grossmutter. Sie schildert den folgenden Kampf ums reine Überleben, zuweilen auch mittels Hundefutter. Im zweiten Teil kommt ihre Grossmutter selbst ins Bild. Die Filmemacherin, offensichtlich traumatisiert und von wiederkehrenden Alpträumen heimgesucht, sitzt mit der stark geschwächten Frau am Küchentisch und versucht sie zu Erinnerungen zu motivieren.

 

Rat Film

"Holy God ",Vladlena Sandu

 

 

Doch die von Schmerzen Geprägte will sich nicht mehr erinnern. In der dritten Sequenz sehen wir Vladlene Sandu am gleichen Küchentisch der pathetischen Neujahrsrede Putins lauschend, ein Lobgesang auf den Kampf der russischen Soldaten gegen den “Terrorismus”. In der letzten Einstellung schliesslich sehen wir die verschiedene Grossmutter aufgebahrt in einem Raum im Hintergrund. Trockener und eindringlicher kann Zeitgeschichte, gespiegelt im Einzelschicksal, kaum gezeigt werden, ein Meisterwerk kristalliner Verdichtung.Sandus Beitrag ist nur ein Beispiel für den zu konstatierenden Aufstieg des Dokumentarfilms. Auch A-Festivals sprachen ihnen in den letzten Jahren ihre Hauptpreise zu, wie gleich zweimal an Gianfranco Rosi, 2013 in Venedig für „Sacro GRA“ und 2016 in Berlin für "Fuocoammare". So zollt auch Rotterdam der Rückkehr des Realen seinen Tribut.

Rat Film

"Rat Film", Theo Anthony

 

Einer der aussergewöhnlichen Filme in der “Bright Future” Sektion, einer Art Best Of der letzten Jahresproduktion, ist gewiss Theo Anthonys “Rat Film”. Die US-Produktion porträtiert die Einwohner Baltimores aus einer überraschenden Perspektive, die ihre Ängste, Sehnsüchte, ihre Fragen nach dem Sinn und Status der Existenz, aber auch ihr pures Instinktverhalten artikuliert: der anhaltender Kampf gegen die Rattenplage. Eine soziologische Studie über die ökonomische und politische Stadtgeschichte verleiht den Einzelporträts vertiefenden Kontext. Vom professionellen, philosophisch reflektierenden Rattenjäger bis hin zu mit Baseballschlägern bewaffneten Hobbykillern, die ihre Nachtruhe opfern, um möglichst viele dieser frei fluktuierenden, kaum zu kontrollieren Angreifer zu killen, Anthony folgt seinen Protagonisten in ihrem Alltag und stellt Fragen, die zu aufschlussreichen Antworten Anlass geben. Das weite Spektrum sozialen Verhaltens wird akustisch unterlegt und verstärkt durch die subtilen Soundkompositionen Dan Deacons. Antony zeigt den Stand der Dinge einer Gesellschaft, die sich perfektionistisch will und doch auf eine konkrete kleine Bedrohung keine angemessene Antwort zu finden vermag. Die Ratten beherrschen das Terrain, schon jetzt.

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In dokumentarisch-fiktiver Form, Realität verdichtend, entwirft Itonje Soimer Guttormsen in “Retrett” in nur 30 Minuten ein ebenso intim einzigartiges wie zeittypisches Porträt einer verlorenen Generation in saturierten Gesellschaften, hier am Beispiel Norwegens, bei ihrer Suche nach Lebenssinn. Im Mittelpunkt: eine junge Frau, weder an der Armutsgrenze lebend noch mit grossen Mitteln ausgestattet, Krankenschwester und zuweilen Babysitter, die bei Guru Lehrern, im freiem Ausdruckstanz oder in künstlerischen Projekten Antworten auf ihre Lebensfragen zu finden hofft. Zuweilen stösst sie auf Ignoranz, häufiger wird sie mit der repressiven Toleranz der Arrivierten abgewiegelt. Guttormsens Kamera gelingt es, die permanente latente Aggression des städtischen Alltags ebenso spürbar zu machen wie das innere Unbehagen, die physische Angespanntheit der Borderline-Existenz einer Aussenseiterin. Diese junge Frau lebt wie ein Gazelle in einer Umgebung, die nicht mit ihr korrespondiert. Ihre Suche wirft sie auf ihre (Selbst-) Fremdheit zurück. Momente wirklicher Kommunikation findet sie nur selten, etwa mit einem Down-Syndrom-Erkrankten und mir den hilflosen Alten und Schwachen, die ihr  Alltagsleben begleiten. Guttormsen schafft einen grosser Film der kleinen, detaillierten Beobachtungen, der Joachim Triers  “Oslo, 31 August” als seine norwegische Referenz anklingen lässt.

 

Rat Film

"Retrett",Itonje Soimer Guttormsen

Trailer

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Rat Film

"Boli Bana", Simon Gaillard

 

Fast ohne Dialog auskommend entwirft Simon Gillard in “Boli Bana” ein ebenso dichtes und facetteneiches Porträt der Fulani Bevölkerung West-Afrikas, die als älteste islamische Nomadenkultur gilt. Die besondere Stärke "Boli Bana"s begründet sich in Gillards Intention, eigentlich nichts anderes zu zeigen und zu akzentuieren als das alltägliche Leben selbst, dies aber in hochverdichten, komponierten Bildern, die den Alltag der Fulami mit eine nahezu metaphysische Aura betten, die ideal korrespondiert mit den Mysterien und Riten der Nomaden, die Teil ihrer Wirklichkeit sind. Die Nächte mit der Tierherde an der Feuerstelle, die kaum verborgenen Ängste der Kinder während ihrer Beschneidungsakte, ihr freies Spiel in der Natur, die notwendigen Handgriffe während Tierschlachtungen oder Geburten, sie alle zeichnet Gillard auf in insistierenden Nahansichten, so intensiv, dass der Zuschauer selbst die Körpertemperaturen zu spüren vermeint. Die reine kommentarlose Beobachtung korrespondiert mit einer kindlichen Weltwahrnehmung. Kinder und Jugendliche kurz vor und während der Initiationsrituale sind es auch, die im Zentrum dieses aussergewöhnlichen Werkes stehen, das es vermag, das Mysterium des Lebens selbst evident werden zu lassen. Gillard bringt einen meditativen und zugleich unglaublich vitalen Film nach Rotterdam, der einen adäquaten Weg findet, den Urmythos der Fulani - "Unsere Welt ist geboren aus einem Milchtropfen" - in Filmsprache zu transformieren px

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px Der Kurzfilm in Rotterdams IFFR 2017

px Rotterdams Internationales Film Festival 2017

 

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46. ROTTERDAM FILM FESTIVAL 2017

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International Film Festival Rotterdam

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