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 FILM REVIEWS I DIRECTOR I KIYOSHI KUROSAWA, TOKYO SONATA I DIETER WIECZOREK I 2008
TOKYO SONATA
KIYOSHI KUROSAWA
Simulationsspiel
di DIETER WIECZOREK
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Dieses Meisterwerk der Darstellung der aktuellen sozialen Dekomposition wurde (aus nicht einleuchtenden Gründen) in die Parallelreihe »Un certain regard« verbannt. Tokyo Sonata von Kiyoshi Kurosawa gelingt in eindringlicheren Bildfolgen das Porträt des unaufhaltsamen Untergangs einer japanischen Kleinfamilie ab dem Moment, da der Familienvater ohne jede Vorwarnung seinen verantwortungsreichen Job verliert. Statt seine Familie in die Notsituation einzubeziehen, zieht der einem überkommenen Ehrenkodex unterworfene Mann ein großes Simulationsspiel der Normalität vor, und er trifft auf einen Schulfreund, der es ihm mit noch größerer Perfektion gleichtut. In brillanter Weise operiert Kurosawa gekonnt mit allen emotionalen Tonlagen, von tragischer Situationsverdichtung bis humorvoller Ironie, von psychologischer Detailstudie zu slapstickartigen Einlagen. Er zeigt eine erkrankte Gesellschaft, in der alte Rollenklischees nur noch eine unkontrollierbare Folge von Fehlhandlungen und Mißverständnissen in Bewegung setzten.
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Reich an Detailbeobachtung und subtiler Gesellschaftskritik schafft dieser Film ein unter die Haut gehendes Geflecht des Unbehagens, das das heutige Japan zeichnet. Aus Verachtung der Schwäche seines Vaters verdingt sich der ältere Sohn bei der US-Armee, naiv den Slogans der Freiheitsverteidigung glaubend. Er kehrt als gebrochener Mann zurück, von der unaustilgbaren Schuld geprägt, zu viele Unschuldige getötet zu haben. Eigentlich die Goldene Palme verdienend, wurde Tokyo Sonata mit dem Preis der Jury gekürt 
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