Täglich schwinden Hunderte von Spezies von diesem Planeten. In gleichfalls beeindruckendem Rhythmus gehen die komplexe Sprachen marginalisierten Gruppen verloren. Kulturen verlieren ihren Lebensräume. Die dominante, globalisierten, uniformierte Kultur bemerkt fast nichts davon. Der Untergang von Kulturen ist keine Mediennachricht.
Jure Brecelinik und Rosie Bregar reisten weit in den Norden, in das östliche Grönland, um die wenigen noch aktiven Jäger der Inuits in ihrem starken Transformationen ausgesetzt Alltag zu begleiten. Ihre Dokumentation eines
Verfalls kontrastieren sie, Dank der cinematographischen Brillanz Rožle Bregars und Wesley Johnsons sowie der Kameraarbeit Miha Avguštins, mit Landschaftaufnahmen überwältigender Schönheit. Sie wirken wie ein letzter Aufschrei einer scheinbar noch intakten Natur, die ihr Überlebensrecht einklagt.
Hinter dem schönen Schein verbirgt sich die von Härte und Ausweglosigkeit geprägte Lebenswelt der “Last Ice Hunters”. Besonders die Jugendlichen sind die Verlierer der globalen Entwicklung. Wurzellos geworden driften sie gruppenweise in den Alkohol ab, oder wählen gleich den Selbstmord, dessen statistische Häufigkeit einen europäischen Höhepunkt darstellt.
Diese Jugend hat zum einen erfahren, dass ihre klassische Lebensformen der Robbenjagd sich nicht mehr rentiert und folglich keine Zukunft hat. Der Raubbau ausländische Grossunternehmen, die eine perfektioniert aggressive Jagdtechnik praktisierten, der ebenfalls die Brutbestände zum Opfer fielen, hat nahezu unheilbare Spuren hinterlassen. Die Jagdpraktiken ihrer eigenen Kultur wirken angesichts dieser Zerstörungsgewalt als hilflos anachonistisch. Bereits die Anschaffungskosten moderner Arbeitsmaterialien übersteigen den noch zu erhoffenden Gewinn.
Zum anderen werden die Jugendlichen in Form anstrandenden Touriten mit westlichen Lebensstandarts konfrontiert, deren Komfort die eigenen harschen Lebensbedingungen al simmer unakzeptabeler erschienen lassen. Alternativen gibt es für sie kaum. Ihre Arbeitssuche in grösseren, benachbarten Ortschaften eröffnet ihnen als Ungeschulten bestenfalls Zugang zu schlecht bezahlten, repetitiven und zumeist auch nur zeitlich befristeten Jobs.

“The Last Ice Hunters”, Breceljnik, Bregar |
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In ihrer eigenen Kultur galt der Jägers als Orientierungsfigur, Handwerker, Spezialist und Künstler. Ist dieser Statur erst einmal verloren, kann ihre Kultur ohne ihr einstiges Zentrum nur auseinander driften. Ihre einstige Lebensgemeinschaft nutzte den Robbenjagd in einer nie auf Gewinn ausgerichteten Form. Überproduktion war ihnen fremd. Die Erhaltung der Lebensquellen, vor allen der Brutbestände, wurden respektiert. Alle Bestandteile der erjagten Tiere wurden verarbeitet oder verspeist. Greenpeace, einstiger Hauptanklägern der Robbenjagd, neben vielen VIPs wie Brigitte Bardot, sah sich mittlerweile für seine Fehleinschätzung des Jagdwirklichkeit zu einer Entschuldigung veranlasst.. "Substainable" war die Kultur der Inuits in einer beispielhaften Weise.
Eating what we hunt is at the very core of what it means to be Inuit. When we can no longer hunt in the sea ice and eat what we hunt, we will no longer exist as apeople", ein Zitat Sheila Watt-Cloutier, leitet den Film ein.
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In der Tat konzentriet sich der Alltag der Inuits auf Nahrungsfang und Nahrungszubereitung. Brecelinik und Bregar offerien eine typische Szene, in der eine der eine Hausfrau in ihrer technisch gut ausgestatteten Küche auf dem Boden sitzend Speisen zubereite. Auch an einer Tiefkühltruhe mangelt es nicht. Sie präsentiert ein gutes Dutzend hier eingelagerten Speisen.
Die Filmemacher konfrontieren den Zuschauer mit einer heute fremd erscheinenden Lebensphilosophie der Selbstbeschränkung, einer Kultur einer zirkulären Erhaltung der Resources, gekennzeichnet durch perfektionierte Gesten und Praktiken. Dieses Lebensmodel ist der kristalline Gegenentwurf zur gängigen mit Sicherheit in die Apokalypse führende Konsumkultur, von der Hypothese einer zukünftigen bio-techno-neurologisch transformierte Menschmaschinen, die in apokalyptischen Ambienten überlebt kann, einmal abgesehen. Hieran wird gearbeitet.
Das Porträt einiger ausgewählter Familien bilden das Zentrum in “Last Ice Hunters”. Sie versuchen an den über Generationen hinweg vermittelten Traditionen festzuhalten. Die Zahl der noch aktiven Jäger ist heute auf etwa 50 unter 3000 Einwohnern reduziert. Die Söhne dieser Familien begleiten ihre Väter stets auf ihren Streifzügen. Hier scheint ihre Kultur und Technik noch weiter zu leben. Doch nur einige Meter entfernt legen mittlerweile Grosscontainer in den nun über Monate hinweg eisfreien Hafenbucht an.
Eine Alternative, zumindest als Lebensgemeinschaft unter veränderten Bedingungen zu überleben, wäre die Errichtung einer eigenen Verarbeitungsproduktion. Frachter könnten Ihr Jagd- und Fanggut exportieren.
Dies wäre das Ende der traditionellen Verweigerung des Überschussproduktion. Doch ohne Einkommen und Lohnarbeit lässt sich das Leben mit der nun importierten Technik, Motorisierung und Nahung nicht aufrechterhalten. Die meisten Bewohner sind bereits gezwungen, ihre Orte zu verlassen, mit ungewisser Zukunft. Einige wählen den Jagd-Tourismus als Überlebensmodell, kombiniert mit Zeitarbeiten andernorts. Sich ausschliesslich auf Jagd zu beschränken hiesse in Schlechtwetterperioden Hungerperioden in Kauf zu nehmen. Trotz allem kehren viele unter ihnen periodisch zu ihren Heimatorten zurück, um zumindest einenTeil des Jahres hier zu verbringen, “not to become rich, but to grow as a person".
Jure Brecelinik und Rosie Bregar exemplifizieren in beeinruckender Weise: Mikrokulturen, die sich über Jahrhunderte haben erhalten können, verlieren angesichts massiver Technologietransfers und klimatischen Wandels ihren Überlebensgrund. Die resultierende Dekultivation degradiert sie in einer unkontrollierten und orientierungslosen globalen Konsumkultur zu einsetzbaren, anonymen und austauschbaren Geldverdienern. Familiare Überlebensabsicherung wird zum einzig noch verbleibenden Zentrum ihres Existenzentwurf.
In der Kultur der Inuits fehlt ein Begriff für “Zukuft”. In einer in sich ruhenden, sich selbst generierenden Kulturen ohne Individualitätskult ist dies nicht allzu verwunderlich. Um so ausgelieferter aber sind diese Kulturen, wenn ihr Lebensgrund zerschlagen wird. Strategische Zukuftplanung ist Konzept und Notwendigkeit einer sich stets transformiernden Krisenkultur. Wirklich Kultivierte können hier nur marginale Zaungäste sein 
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