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pxrouge FESTIVAL REVIEWS I CLERMONT-FERRANT 39. FESTIVAL DU COURT METRAGE 2016 I VON DIETER WIECZOREK I 2017

Das Kurzfilmfestival in Clermont-Ferrand 2017

Einige Highlights

 

 

 

VON DIETER WIECZOREK

Festival du court metrage Clermont-Ferrand

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Der festlich zu nennende Jahresanfang für den Kurzfilm beginnt in Clermont-Ferrand, für viele schon ein heimatlicher Ort, um alte Kollegen und Freunde wieder zu treffen, gewiss ein Ort, um auf dem Markt, der seinen Gästen jeden Abend kleine Feste und Buffets beschert, international Projekte zu schmieden, gewiss auch ein Ort, um eine Vielzahl der eingeladenen internationalen Filmmachern zu treffen, und last-not-least ein Ort, um eine Fülle aus aller Welt eingereichten Filme zu sichten die teils in drei umfangreichen Wettbewerbsprogrammen, teils in den nationalen oder thematischen Nebenprogrammen gezeigt werden. 14 internationale, 12 nationale und 5 Labo (experimentelle) Programme überschreiten bereits die Aufnahmekapazität der Besucher. Glücklicherweise bietet zumindest den Akkreditierten ein - allerdings nicht unentgeltliches - Archiv, die Möglichkeit einer nachträglichen Sichtung.

Bon Voyage

"Bon Voyage", Marc Raymond Wilkins

 

Unter den Filmen, die im aktuellen internationalen Wettbewerb aktuelle und brisante Themen berühren wäre zunächst der Schweizer Beitrag “Bon Voyage” zu erwähnen. Ein älteres Ehepaar wird eines nachts im Mittelmeer mit Bootpeople konfrontiert, die angesichts ihrer Gegenwart ihr überfülltes, und zum Kentern verurteiltes Boot in Scharen verlassen um sich auf ihre Jacht zu retten. Ihre Reaktion: Abdrehen. Am nächsten Morgen sehen sie die im Wasser treibenden Leichen, für die sie die Verantwortung tragen. Nun entscheiden sie sich, zumindest den Überlebenden Hilfe anzubieten. Doch mit dem fragwürdigen und naiven Plan, sie der lybischen Küstenwache auszuliefern. Als die Flüchtlinge dies bemerken, kommt es zu einer Meuterei auf dem Boot. Am Ende muss das Paar, Normalbürger mit den üblichen Abwiegelungsstrategien, wie etwa, es sei ihnen nicht erlaubt, Hilfesuchenden nach Europa zu bringen, die Konsequenzen ihrer unterlassenen Solidarität erkennen. Auf ihre Bootsinsassen wartet in Libyen Folter und Gefängnis. Eine Mutter unter den Flüchtlingen versteckte gar ihre kleine Tochter im Boot, um zumindest ihr ein Überleben zu sichern. Deren Blick auf das verunsicherte Paar steht am Ende dieses unter die Haut gehenden Werkes Marc Raymond Wilkins, der unsere Zivilisationskrise auf wenige Minuten kondensiert.

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Im bereits jahrzehntelang seine Opfer fordernden blutigen Bürgerkrieg Kolumbiens verankert Jesus Reyes und Andrés Porras ihr Werk “Genaro”. Der triste Alltag Genaros besteht in der Anlieferung der Opfer unter den paramilitärischen Truppen an ihre Hinterbliebenen. Das Ausliefern der Leichen, auf deren Särgen nur eine Nummer notiert ist, geschieht nur selten ohne dramatische Szenen. Genaro wirkt dabei kalt und abwesend. Seine wirklichen Gefühle verbirgt er, da er in der gleichen Situation wie all die Leidtragenden ist. Auch er sucht nach seinem Sohn und er wird ihn schliesslich finden. Reyes und Poras deuten an, wie wenig die zumeist jungen Opfer geahnt hatten, worauf sie sich einliessen, als sie sich als Paramilitärs engagierten. Deren Führung liess sie oftmals schlicht im Stich und achtet nun lediglich darauf, die Leichen ihrer Partisanen aus dem Fluss zu fischen, bevor sie die Stadt erreichen, wo sie kein “gutes Bild” abgeben würden.

 

Genaro

"Genaro", Jesus Reyes und Andrés Porras

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In Kropsdam everybody is happy

"In Kropsdam everybody is happy", Joren Molters

 

In Abgründe bürgerlicher Normalität führt das belgische Werk “In Kropsdam everybody is happy” Joren Molters. Die Happyness, die sich in Gemeinschaftsgesängen und starren kumpelhaften Höflichkeiten manifestiert, verbirgt nur die erheblichen Aggressionen gegen all die gerichtet, die von der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden. Sie werden entweder völlig ignoriert oder anonym angegriffen, etwa durch Steinwürfen in Fensterscheiben, während auf der Oberfläche eine undurchdringliche Freundlichkeit zelebriert wird. Dies alles auf dem Hintergrund einer zur Schau getragenen Freundlichkeit. Molter stilisiert die Figuren und Szenen der bürgerlichen Wohlbehagens bis ins Absurde und erinnert an die ätzend satirische Stilistik seines schwedischen Kollegen Roy Anderssohn. Die Dorfbewohner wirken wie Marionetten, die ferngesteuert auch vor einem Mond nicht zurückschrecken würden.

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Der Taubenzüchter Lammert outet sich für immer, da er die Einladung zu einem Stück Kuchen während einer Informationsveranstaltung zu Windturbinen akzeptierte, eine Technik die von der Dorfgemeinschaft komplett abgelehnt wird. Bereits beim Brotkauf am Folgetag wird er mit Ausreden abgespeist und geht leer aus. Seine Versuche, sich als Gegner der Windtechnologie zu profilieren, kommen zu spät. Er wird zum Opfer ständig an Intensität zunehmender Aggressionen. Molter zeigt den zu zahlenden Preis für die Harmonie eines gleichgeschalteten Gemeinwesens. Die Mechanismen der Erniedrigung und Einschüchterung werden in kristalliner Form veranschaulicht. Sie dehnen sich auch auf die einzige Person aus, die zu Lammert hielt.

Nicht ein Werk politischer Subversion, sondern gleichzeitig eines für seinen indonesischen Direktor Bayu Prihantoro Filemon mit ernst zu nehmenden Risiken verknüpftes präsentierte die Lab-Sektion Clermont-Ferrands: “On the Origin of Fear”. Der indonesischen Führung beliebt es auch heute noch, ihre eigenen Greultaten und Torturen an Hundertausenden von “Kommunisten” durch die massive Lancierung eines Propagandafilms über die Folter der Imperialisten durch die Kommunisten zu kaschieren. Sergeant Heru, ein Staatsbediensteter, wird die Aufgabe übertragen, die extreme Gewalterfahrung verbal in Szene zu setzen. Immer wieder wird er aufgefordert, brutaler und aggressiver zu sein in seiner Performance als Folterer, dann die Seite wechselnd, stets schmerzexpressiver als Opfer. Vielleicht die beeindruckendste Sequenz zeigt ihn völlig die Kontrolle verlierend und kein Stop-Signal mehr wahrnehmend.

 

The Reflection of Power

"On the Origin of Fear", Nicolas Silhol

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Im Abspann lesen wir: 1984 produzierte das neue Regime ein Dokudrama über die Rebellion des 30 September 1965. Die Folter von 6 Generälen durch Mitglieder der indonesischen kommunistischen Partei steht hier im Zentrum. Jeden 30 September werden Studenten in der ganzen Nation zur Ansicht dieses Werkes gezwungen. Im September 2015, nachdem diese Zwangsvorführungen für 17 Jahre ausgesetzt hatten, wurden sie wiederum im Rahmen einer Anti-Kommunismus Kampagne eingesetzt. Auf diesem Hintergrund wird verständlich, welcher Mut es auch heute noch in Indonesien bedarf, sich der Staatsideologie entgegen zu setzen.

The Reflection of Power

" L’Éxile du temps", Isabelle Putod

 

Extreme Einsamkeit, aber auch eine andere Zeiterfahrung sucht der Protagonist in Isabelle Putods “L’Éxile du temps” (Zeitexil). Am 16 Juni 1962 zieht sich der Höhlenwissenschaftler Michel Siffre in den Untergrund-Eisberges Scarasson der maritimen Alpen zurück, ohne jede Uhr und damit ohne jede Möglichkeit, Zeit objektiv wahrzunehmen. Einige alte Schallplatten begleiten ihn. Sein einziger Kamerad, eine Spinne, die er nach einiger Zeit entdeckt, wird ihn bald verlassen. Im Off Voice hören wir seine Kommentare. Gleich zu Anfang erfahren wir das Motiv dieser Selbstisolation: die sonst nur fliegende Zeit zu erfassen und zu begreifen. In der absoluten Dunkelheit, die auch den Lichtstrahl seiner Lampe ausserhalb seines Zeltes komplett absorbiert, ist Siffre in seinen wachen Phasen auf ein Minimum sensueller Erfahrungen reduziert, wie etwa die alles durchdringende Feuchtigkeit des Eiswassers. Erinnerungen und zuweilen Halluzinationen bestimmen sein Bewusstsein.

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Angesichts des schwarzen Nichts stellt sich bald der Eindruck ein, nicht mehr zu existieren. Putod umrahmt diese Extremerfahrung neben Archivbildern assoziativ: Pupillen, gleitende Wassertropfen, dahingleitenden Rillen der Schallplatten. Alte Chansons klingen zuweilen an, aber auch Bilder anderen aussergewöhnlichen Raumzeiterfahrungen wie die der Raumfahrt fliessen ein. Siffre berichtet, im Spiegel eine andere Person als ihn selbst zu sehen. Auch der Berg selbst scheint ihm in eine langsame Bewegung zu geraten und er mit ihm. Seine Sehnsucht nach Farben nimmt zu, Schwarzes, auch das seiner eignen Schreibtinte, meidet er. Immerhin kann er einen raren Telephonkontakt mit seinem Team halten. Mit eiserner Disziplin führt er Tagebuch, um sein Gedächtnis zumindest teilweise aktiv zu halten. Die Zeit scheint ihm unerträglich langsam zu vergehen. Am Ende seines Experiments erfährt er, dass sein subjektives Zeitgefühl 25 Tage hinter der Realzeit zurückliegt. Im Rückblick erscheint ihm diese Erfahrung al seine intensive, unvergessliche Zeitspanne, obwohl alle Tage sich glichen. Im Abspann erfahren wir, dass Siffre zehn Jahre später sogar 6 Monate in einem Senkloch in Texas verbrachte.

In die entgegengesetzte, ebenso extreme Räumlichkeit katapultiert uns der schwedische Film “I was a Winner”. Jonas Odell widmet sich den Begehrnissen und Erfahrungen all jener, die sich in virtuelle Räume verlieren. Die Befragten geben Spielsucht und Rekompensationen für Frustrationen als ihre Motive an, auch die Erfahrung, Gott spielen und sich eigene Wunschwirklichkeiten schaffen zu können. Auch ein Tötungsakt als Triumpferfahrung wird gestanden. Unter Odell Zeugen findet sich selbst ein reales Paar, das sich entschied, einen virtuellen Raum zu teilen. Dort war ihre Kommunikation weit intensiver als in der Realität, und auch nur dort fand ihre romantische Hochzeit statt. Nachdem sie sich auslockten, folgte nur ein tristes Zu-Bett-Gehen. Odell kombiniert die Stimmen der ihre Erfahrungen Berichtenden mit ihren virtuellen Körpern, sie sich in ihren phantastischen Räumen bewegen. Das reale Leben erscheint den Spielern oft ohne jede Verheissungen, ein leerer Mechanismus von Arbeit, Schaf und Nahrungszufuhr, eine finstere Welt. Immerhin, all den Zeugen Odells gelingt schliesslich die Rückkehr in den Realraum. Einer unter ihnen realisiert dabei, bereits einen erwachsenen Sohn zu haben, mit dem er Kontakt aufnehmen kann px

 

The Reflection of Power

"“I was a Winner;, Jonas Odell

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39. FESTIVAL DU COURT METRAGE CLERMONT-FERRANT

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03 - 11 / 02 / 2017

Festival du court metrage Clermont-Ferrand

Festival du court metrage Clermont-Ferrand

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Festival du court metrage Clermont-Ferrand

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