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pxrouge FESTIVAL REVIEWS I 68. FESTIVAL INTERNAZIONALE DEL FILM DI LOCARNO I VON DIETER WIECZOREKI 2015

Der Dokumentarfilm in Locarnos
68. Film Festival 2015

Emigranten, Radioaktivität, Vereinzelung und Identitätssuche

 

 

von Dieter Wieczorek

"Brothers" Wojciech Staron

Brothers Wojciech Staron

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Locarno ist bekanntlich kein Festival des Dokumentarfilms. Trotzdem offeriert das Festival jedes Jahr aufs Neue eine Reihe von eindringlichen Werken, die vor allem in der Sektion “Semaine de la Critique” ihren Ort finden, eine in Eigenregie geführte Reihe, die das Festival als unabhängigen Kontribution in sich integriert.

"Lampedusa Winter" Jakob Brossmanns

"Lampedusa Winter" Jakob Brossmanns

 

Ins Zentrum aktueller Konflikte führt sogleich Jakob Brossmanns “Lampedusa im Winter”. Die österreichisch-italienisch-schweizerische Koproduktion wirft ein Licht hinter die Kulissen der massenmedialen Berichterstattung. Sie zeigt den desorientierten Alltag der Einheimischen Lampedusas, bekannt als eine der ersten Anlaufstellen für die mit dem Leben davon gekommenen Flüchtlinge unterschiedlichster Herkunft. Wie verkraften die Lampeduser  die tägliche Konfrontation mit dem barbarischen Tod, hervorgerufen durch das Versagen der Weltpolitik? Ihre eigene soziale Situation ist bereits aufgrund inneritalienischer,  logistischer und ökonomischer Probleme angespannt: Fährboote fahren nicht, der Fischfang ist kaum mehr rentable. Brossmann folgt den Menschen in ihre aufgeheizten Versammlungen, er lauscht nachdenklichen Momenten in Privatwohnungen, er ist präsent bei ihren Kontakten mit den oft verwahrlosten Emigranten. Er findet engagierte Helfer, aber auch Enttäuschte,  Hilflose und Überforderte. Die winterfeuchte, oft auch nächtliche Atmosphäre Lampedusas bildet den Hintergrund für diese Konfrontation mit einer der Kondensationspunkte der grössten humanen Katastrophe des beginnenden Jahrtausends.

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Atomare Katastrophen dagegen sind Thema in “Als die Sonne vom Himmel fiel” (The Daythe Sun Fell). Die schweizerisch-finnische Koproduktion parallelisiert die atomare Bombardierung in Hiroshima und Nagasaki mit dem atomaren Unfall Fukushima und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen. Aya Domenig gelingt es, einige Überlebende Hiroshimas vor die Kamera zu bringen, die trotz ihres hohen Alters noch hochaktiv zumeist sich einsetzen, über die Risiken atomarer Produktion zu informieren und der offiziellen Berichterstattung zu widersprechen. Da reist eine 90jährige von Ort zu Ort zu Vorträgen und tippt noch spät nachts langsam Buchstabe für Buchstabe ihre Artikel in den Computer. Der letzte noch lebende Arzt und Zeitzeuge des Hiroshima Desasters berichtet, wie die US-Amerikanische Besatzungsmacht die Möglichkeit innerer Blutungen schlicht leugneten, mehr als das, unter Verbot gestellt wurde den Opfern, über ihre von der Radioaktivität verursachten Schäden zu berichten.

 

The Daythe Sun Fell Aya Domenig

"The Daythe Sun Fell" Aya Domenig

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Auf der anderen Seite macht es die japanische Gesellschaft den Verstrahlten auch nicht leichter, da keine wohlhabende Familie einer Verheirat mit einem solchen Strahlenopfer dulden würde. Wie damals radioaktive Folgen verleugnet wurden, werden heute, nach Fukushima, Handzettel in den benachbarten Schulen verteilt, die behaupten, dass keine Gefahr mehr ausgehe von der Katastrophenstätte jenseits der Sperrzone. Die diskursive Trägheit und der Erfolg dieser Verleugnungsstrategien wird von Domenig vor allem – unterstützt von Statements der Zeugen - in Zusammenhang mit der von Männern dominierten und Autoritäten immer noch hörigen Gesellschaftsform gebracht, wie sie bis heute Japan prägt. Wie Brossmann bleibt auch Domenig in ihrer Filmsprache klassisch narrativ, stützt sich vor allem auf die ungebrochene und faszinierende Energie der gealterten Widerstandskämpfer.

Ein beeindruckend intimes Porträt eines ebenfalls im hohen Alter stehenden Brüderpaares polnischer Herkunft realisiert Wojciech Staro? in “Brothers” (Bracia). Als junge Männer entkamen die ungleichen Brüder, der eine naturwissenschaftlich, der andere künstlerisch orientiert, einem sowjetischen Arbeitslager. Ab da verlief ihr Leben unruhig, stets auf dem Sprung, wenn nicht auf der Flucht. Unter grossen Entbehrungen schlugen sie sich durch die Länder, stets allein auf sich gestellt. Nun werden sie mit den Tücken und Schrecken des Altersverfalles konfrontiert. Dann brennt auch noch ihr letztes Refugium, ein schlichtes Landhaus ab, mit allen Erinnerungsspuren und vor allem den künstlerischen Werken. Und wieder einmal, noch einmal müssen die Beiden wieder aufbrechen und ihr Leben neu organisieren. Das Porträt dieses Paares ist vor allem wegen ihres vitalen, stets neugierigen, fordernden, nie wehleidigen Dialoges so eindringlich, der ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit einfängt. Durch seine sensible, allen Nuancen folgende Darstellung dieses kaum alltäglichen Lebens profiliert sich Wojciech Staro? als Meister der zurückhaltenden Beobachtung.

 

Brothers Wojciech Staron

"Brothers" Wojciech Staron

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K2. Touching the Sky Eliza Kubarka

"K2. Touching the Sky" Eliza Kubarka

 

Das Begreifen der eigenen Eltern, die sie, ihre Kinder, oft vernachlässigten und gar ihr Leben riskierten, um ihrer Bergsteiger-Passion zu folgen, ist der Ausgangspunkt Eliza Kubarskas Werkes “K2. Touching the Sky”. Sie selbst ist eines dieser Kinder, deren Eltern 1986 bei der Besteigung des legendären K2, zweithöchster Berg der Welt, ihr Leben liessen. Zusammen mit einer kleinen Gruppe von Gleichaltrigen, die ihr Schicksal teilen, macht sie sich auf, folgt den Spuren der Eltern, um das Unverständliche in irgendeiner Weise begreifen oder nachempfinden zu können. Einige unter ihnen sind selbst zu Bergsteigern geworden, andere erleben diese kristalline herbe Welt zum ersten Mal. Kubarska dokumentiert das ganze Spektrum ihrer Reaktionen, von hilfloser Anklage und Enttäuschung über die Eltern, bis hin zur Anerkenntnis und aufkeimenden Verständnis angesichts dieser unglaublichen Faszination, dieses Soges hin zur Bergspitze, die letztlich das Begehren signalisiert, menschliche Begrenzungen hinter sich zu lassen und in eine Ekstase des Augenblicks um seiner selbst willen sich fallen zu lassen, Selbstüberwindung und Selbstfeier zugleich.

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Kubarska schafft einen Film, der die Herausforderung des endlichen Lebens als Schlüsselfigur einer möglichen  Beantwortung der Sinnfrage kenntlich werden lässt und in Szene setzt. Ein Reise in die Kälte und zurück, ein Dokument unheimlich und tröstlich zugleich.

Eine andere Selbst- und Identitätssuche, nicht weniger tragisch und erschütternd, zeigt Karolina Bielawska in dem ebenfalls polnischen Werk “Call Me Marianna” (Mów mi Marianna). Hier ist es ein junger ehemaliger Mann, der alles daran setzt, in seine für ihn/sie wirkliche weibliche Existenz zu schlüpfen, vor hormonalen Behandlungen angefangen bis hin zum entscheidenden anatomischen Eingriff. Bielawska begleitet sie in ihrem Alltag, zu Arztbesuchen und Begegnungen mit den wenigen Freunden. Besonders nachdringlich wird ihr hilfloses Bemühen, von ihrer Mutter anerkannt zu werden, ins Bild gebracht. Die einfache Frau scheint überfordert und spricht sie nach wie vor in ihren kurzen Telefonkommunikationen mit ihrem männlichen Vornamen an. Endlich in ihrer neuen Identität als Frau angekommen und erste neue Beziehungen knüpfend nimmt ihre Geschichte Mariannas eine fatale Wendung. Aufgrund einer hormonalen Überdosis verliert sie einen Grossteil ihrer mentalen und physischen Fähigkeiten. Den Körper, um den sie so stark gerungen hat, ist ihr sofort wieder verloren gegangen. Es bleibt die Hoffnungen, dass die Rehabilitations-Therapien nicht erfolglos bleiben. Selbst nach ihrem Rückschlag hilflos auf dem Bett liegend, fällt es ihrer Mutter immer noch schwer, sie auch nur besuchen zu kommen rouge

 

Call Me Marianna Karolina Bielawska

"Call Me Marianna" Karolina Bielawska

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68. FESTIVAL INT. DEL FILM DI LOCARNO

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05 - 15 / 08 / 2015

Locarno film festival

Call me Maria

 

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