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pxrouge FESTIVAL REVIEWS I 65. FESTIVAL INTERNAZIONALE DEL FILM DI LOCARNO I VON DIETER WIECZOREK I 2012

DAS FESTIVAL IN LOCARNO

Notizen zur Edition 2012

Qualität im Wechsel

 

 

VON DIETER WIECZOREK

"Leviathan", Lucie Castaing-Taylor und Véréna Paravel

Leviathan

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Über einen Mangel im Wechsel der Direktorengilde kann man sich in Locarno kaum beklagen. In den letzten wenigen Jahren stand das Festival unter der Leitung Oliver Pères unter einem stark französischen Akzent bis in die Kurzfilmsektionen hinein. Bisweilen konnte dies zu so bizarren Formen aufkeimen, dass dem Schweitzer weltweit gefeierten Regisseur Alain Tanner auf der Piazza Grande vor versammelten Publikum eine Anerkennungsurkunde der Pariser Cinémateque verabreicht wurde, von Pères ehemalig vorgesetzten und bis aktiven Leiters überreicht.

Doch was hinter den Kulissen als Tumult und kleinen Präferenzen statthat, ist schliesslich irrelevant angesichts der grossen Linien des Festivals, die sich treu bleiben. Locarno promoviert den innovativen Film, den « Pardi de domardi » und die « Cineasti de presente », folglich aufkommende Talenten und neue, sich zu bestätigen beginnende Filmemacher. Die grosse Schaubühne der Piazza Grande, Europas vielleicht grösster Open Air Bühne, die 8000 Besucher fassen kann, übertüncht nicht die Vielzahl sehr spezifischer Werkschauen und Selektionen, in denen fragile, kaum als kommerziell einzuschätzende Werke ihre Chance bekommen.

Die Japanerin Naomi Kawase war dieses Jahr einer dieser besonderen Gäste, die in der internationalen Filmlandschaft ihre ganz eigene Sprache geschaffen hat. Ihre bis an die Schmerzgrenze gehenden Bilder des körperlichen Verfalls, vor allem ihrer Vertrauten und Nächsten, ihre so radikale und doch gleichzeitig respektvolle, empathische Aufzeichnung des körperlichen Untergangs, ihre Evokationen der intimsten Gefühle und Ängste, jenseits jeder Effektsuche und jeden Voyeurismus, ihre Beharrens auf den kulturübergreifenden Schlüsselmomenten der menschlichen Existenz, Geburt und Tod, haben sich zu einem unvergleichbaren Werk verdichtet, das den Betrachter zu einem meditativen Gewahrwerden seiner fragilenVerfassung führen.

Camp 14

"Camp 14: Total Control Zone", Marc Wiese

 

Ein andere Film, der zur Verstummen einlädt, wenn auch auf ganz andere Weise, ist der deutsche Beitrag « Camp 14: Total Control Zone » Marc Wieses, der in der an kritischen Potenzialen wohl stärksten Sektion des Festivals, der «Semaine de la critique » platziert war. In diesem eindringlichen Dokumentarfilm berichtet der Nordkoreaner Shin Dong-hyuk von seinem „Leben“ in einem dortigen Konzentrations- und Todeslager, in dem er 1983 bereits geboren wurde. Er ist der einzige Überlebende. Seine mit ruhiger, melancholischer scheinender Stimme hervorgebrachten Darstellungen skizzieren eine Welt, in der selbst die kleinsten Nahrungsabweichungen unvorstellbar war, eine Welt des permanenten Hungers, der Folter und Zwangsarbeit, in der indoktrinierte Kinder auch emotionslos ihre eigenen Familienangehörigen anklagen, an deren Hinrichtung nach langenFolterzeiten sie dann teilnahmen.

Die totale Kontrolle bezieht sämtliche Gefühlsregungen mit ein. Wiese beschreibt eine Maschine, in der alle Insassen lediglich Materialwert haben, zum Amüsement der Wächter, eine Welt, in der kein Wert mehr greift, in dem der horizontlose Zynismus des Faktischen konkurrenzlos triumphiert. Shin Dong-hyuk, der erst später lernte, was menschliche Gefühle sein könnten, füllt sich bis heute wohler, in einer Zimmererecke auf dem Boden kauernd seine Erzählungen preiszugeben. Wirklich verlassen hat er das Camp nie. Wiese schafft einen Grenzfilm über lebenslange Folter als Endstadium menschlicher Barbarei, der die Diskussionen über die Einmaligkeit des Naziphänomens, vorsichtig gesagt, bereichert.

Kehren wir zur Piazza Grande zurück, wo das Publikum doch eher geschont wird. Eine wundervolle Parabel und detaillierte Analyse über die medialisierte Politik bietet Pablo Larrains (Chile) « No », der zurückkehrt zu dem entscheidenden Moment der ersten freien Wahlen nach dem Pinochet-Regime. Während die einst Verfolgten und linken Aktivisten vermeinen, allein die Erinnerung an die Torturen des Regimes wären Argument und Überzeugungskraft genug, die Wahlen zu gewinnen, korrigiert glücklicherweise ein jungen Werbegenie diese Einschätzung, wissend, dass in einer konsum- und spassorientierten Kultur nur eins zählt: Konsum und Spass. Was für die Altlinken ein schwere Lektion ist, wird von Larrain doch als lustvolles Spiel inszeniert: die linke Opposition gewinnt Sympathien durch lustvollen Provokation, Humor und Gelassenheit. Ein wichtiges Leerstück der politischen Bildung, den Schulen anempfohlen.

 

No

"No", Pablo Larrain

In eine Welt reiner Impulse, Kräfte und Bewegungen lädt der im Wettbewerb laufende Beitrag « Leviathan » Lucie Castaing-Taylors (Grossbritanien) und Véréna Paravels (Frankreich). Nachts mit einer Fülle von beweglichen, kleinen Kameras Über- und Unterwasser auf einem Fischfangkutter gedreht, lediglich einen normalen Arbeitstag, wenn auch unter extremen Bedingungen einfangend, wird der Zuschauer in eine Choreographie des Lichts und Schattens getaucht, mit pausenlosen Aktionen und schrillen Klängen konfrontiert, ausgesetzt in ein kristallines Labyrinth harscher Wahrnehmungen.

In der aufs Neue überzeugenden Kurzfilmsektion unter der Leitung Alessandro Marcionnis seien vier Werke besonders erwähnt. In «The Mass of Men» der Londoner National Film and Television School rekonstruiert Gabriel Gaucher ein Ambiente der administrativen Gewalt und Arroganz dermassend überzeugend, dass ein plötzlich ausbrechender, brutaler Gewaltakt durchaus nachvollziehbar ist. Die Ausgeliefertheit der Bedürftigen an die Machtdemonstrationen der Behörden und ihrer lustlosen Mitarbeiter ist selten so klar und scharf eingefangen worden. Ähnlich geht es im israelischen Beitrag « The Pit » von Itamar Lapid um Auflehnung, in diesem Fall gegen einen skrupellosen, kriminellen Immobilienbesitzer, der die Opponierenden in da Dilemma des Tötens aus moralischer Notwehr führt, anders gesagt, zu der Frage, ob Gewalt gegen Gewalt je schuldlos sein kann.

In einer postapokalyptischen Landschaft angesiedelt ist der japanische Film « Solo » Mina Yonezawas, die in die zerstörten Zonen nach der Flutkatastrophe zurückkehrt und das Thema der Todesangst mit der Angst vor dem Vergessen der Toten verquickt. Ohne Dialog wirkt der Film durch seine Gestik: eine Frau scharrt die Reste der letzten Utensilien der Verstorbenen aus dem Sand. Erneut eines der eindringlichen Beispiele der Kunst des Kurzfilm: Geschichten zu evidenten Situationen zu verdichten, die ihre Geschichten erzählen. Zuletzt sei erinnert an den wohl rätselhaftesten Film der diesjährigen Sektion: „Rivers Return“ von Joe Vanhoutteghem. Um einen Flusslauf herum begegnen sich Paare unterschiedlicher Alterszonen, einstige Geliebte vielleicht, die einen gealtert, die anderen nicht. Gruppen von Laufenden transportieren eine ungerichtete Lebensenergie in sich. Begegnungen schlagen fehl, der Tod setzt mehrfach ein, doch selbst Tote kehren zurück, unverändert. Der belgisch-slowenische Film ist ein labyrinthisches Meisterwerk, vielschichtig deutbar, in keiner Szene antizipierbar rouge

 

 

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65. FESTIVAL INT. DEL FILM DI LOCARNO

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01 - 11 / 08 / 2012

Locarno film festival

Camp 14

No

Leviathan

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