Projections Spéciales
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In Zeiten wo sich die Frage stellt, ob wir nicht bereits einigie kritische Unumkehrbarkeitspunkte des Klimawandels überschritten haben, wo selbst das Amazonaterritorium mehr CO2 ausströmt als absorbiert, konfrontiert uns Matthieu Rytz mit erschütternden Tendenzen, die Böden der Ozeane zu attackieren.
Es ist noch nicht lange her, da glaubte man, dass in diesen Tiefen kein Leben möglich sei. Nun liefert uns die Wissenschaft ein Parorama eines hoch komplexen und fragilen Ecosystems mit tausenenden, zumeist noch ganz unbekannten Kreaturen.. Hier began alles Leben.Von hier nahm es seinen Lauf. Die Lebenszyklen der Unterwasserwelt sind um ein Vielfaches langsamer als die frenetischen unter der Sonne. Oftmals werden Kreaturen einige tausende Jahre alt. Kürzlich entdeckte Mikroben zählen sogar 100 Millionen Jahre. Diese Mikroven sind die wichtigsten Organismen, die das Leben hervorbrachten und den Planeten erst bewohnbar machten. |
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©Nautilus Minerals |
Die dunkle suggestive Stimme von Jason Momoa in Rytzs “Deep Rising” erinnert an die komplexen Verbindungen zwischen den Ozeanen und der Erdatmosphere, der Erd- und Eisflächen. Die Ozeane ermöglichen das Leben auf der Erde. Sie garantieren die Lebensbedingungen. Ohne ihre aktive Interference würde das Leben auf dem Planeten unerträglich.
Der im Nyons “Vision du Réel” gezeigte Dokumentarfilm konfrontiert den Zuschauer unmittelbar mit einem aktuellen, lebensgefährdenden globalen Risiko. 4 Milliarden Dollar sind bereits investiert in Grabungsarbeiten am Meergrund, in 4000 Meter Tiefe, mit dem Ziel, wertvolle Rohmaterialien und Schwermetalle an die Oberfläche zu bringen, die von der weltweiten Batteriefabrikation dringend benötigt werden. Ein Projekt dieser Grössenordung kann nicht riskieren fehlzuschlagen, folgen wir den Worten Gerald Barron, den Leiter der “Deep Green Resources” Gesellschaft. Er ist überzeeugt. “Wir wissen, was wir zu tun haben, um die Grabungslizensen zu bekommen.”
Hier liegt das Pardox: die “grüne Ekologie” die sich auf Batterien als Träger neuer Formen der Energiegewinnung stützt, zerstört weitflächig während ihre Produktion die Umwelt mit allen noch gar nicht absebbaren Konsequenzen. Erst einmal angreifen, später nachdenken, scheint das Motto dieser Praxis. In der Tat, sind die Ozeanböden erst einmal aus dem Gleichgewicht gebracht oder gar zerstört, werden sie sich nicht mehr regenerieren können. Sie sind für immer verloren. |
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©Ashley Gilbertson_
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In einigen kurzen Sequenzen zeigt Rytz ebenfalls die fatalen Konsequenzen der Rohstoffgewinnung über Wasser. Die grosse Menge an Energie für diesen Raubbau wird mit schutziger Kohle, Gas und Öl betrieben. In Folge brechen die umliegenden Ekosysteme regelmässig zusammen.. Die auf Batterien setzende sogenannte “grüne Revolution” kann keine Lösung sein. Sie ist Teil des Problems. Batterien sind das neue Öl.
Der aktuelle Kampf um die Vergabe von Grabungslizensen zwischen den weltweit grössten Industrien steht im deutlichen Widerspruch zu allen vor Jahrzehnten begonnenen Verhandlungsbemühungen über den Status der Weltmeere. Seit J. F. Kennedys Deklaration der enormen |
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©GEOMAR |
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Bedeutung des wirtschaftlichen Potenzials der Weltmeere im Jahr 1966 folgten internationale Bemühugen, die Meere als das Eigentum der ganzen Menscheit zu definieren. Jeder Profit sollte unter den Nationen geteilt werden. Am Anfang stand 1979 die "Law of the Sea Conference". Eine gemeinsame Werteordnung wurde 1982 deklariert, getragen von der grossen Mehrheit aller beteiligten Nationen.
Diese Zeiten sind vorbei. Nur budgetmächtige kapitalorientierte Kompanien verfügen über die Mittel einer profitorientierten Nutzung. Gerald Barron nennt die Zahl von 900 Millionen Tonnen der von ihm geleiteten Ausgrabungen. Diese werden noch übertroffen vom gleichzeitigen Raubbau Chinas, Russlands und Europas, um nur die wichtisten zu nennen. Lokale Widerstände gegen die Zerstörung der unmittelbaren Lebenswelten werden wie üblich nieder geschlagen.
Matthieu Rytz kontrapunktiert diese atemberaubende Fakten durch zwei ästhetische Gegenkräfte. Seine Bilder vom Grunde des Meeres bieten eine unglaublicher Schönheit. Die fragile Welt der Tiefseewesen kommt mit einer Überfülle von Farb- und Formpracht ins Bild. Die Dokumentarbilder trug Rytz aus mindestens zehn Forschungsinstituten, Fondationen, Privatunternehmen und |
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©SCHMIDT OCEAN INSTITUTE |
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Universitäten zusammen. Sie lassen die zahlose Vielfalt von noch unbekannten Organismen ahnen. Die vorsichtigen organischen Interaktionen in der Tiefsee werden visuel kontrastiert mit der Riesenmaschinerie industrieller Tanker und überdimensionierten Schauffellbagger, wie ebenso mit den kalten Konferenzräumen, in denen die tödlichen Entscheidungen getroffen werden.
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Eine andere “Fluchtlinie”, um den fruchbaren Term des Philosophen Gilles Deleuze zu nutzen, sind die musikalischen Kompositionen Ólafur Arnalds. Sie begleiten fast unausgesetzt die visuellen Sequenzen, von den Tiefsee- zu den weite Landfächen umfassende Dronenaufnahmen, von panoramischen Einstellungen bis in die Enge kleiner Labors, Sponsorpartys und Entscheidungsmacherbüros. Die nahezu verrücke menschliche Aktivität wird in dieser Weise gerahmt von grössen Kräften, von Klangwellen, die indizieren, was sie sind: unwissende und zum Scheitern veruteilte Exzesse menschicher Hybis.
Natürlich haben die Grabungsindustrie ein anderes strategisches Argument parat. Sie deklarien ihre Aktivität als lediglich zeitlich begrenzt und notwendig angesichts aktueller Bedürfnisse, nicht erwähnend, dass Batterien stets mit neuen Rohmaterialien erneuert werden müssen. |
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©Alexandr Semenov |
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Dennoch entlässt Matthieu Rytz den Zuschauer nicht ganz ohne eine Hoffnng. Die erste gute Nachricht ist, das dies Raubkompanien mit inneren Konfkikten yu kämpfen hat wie ebenso mit zunehmenden Kontrollen von aussen, verursacht auch durch mangelnde Transparenz ihrer Interessen und Distributionen. Wichtiger noch: die Entwicklung “grüner” hydrogener und innovativer Batterien in der chemischen Industrie ist in vollem Gange. Es erscheint nun denkbar, Energie zu produzieren und zu speichen ohne die bisherige Verwendung von Rohmaterialien.
Das wirkliche Problem jedoch findet sich auf einem fundamentaleren Level. Wenn Menschen nicht ihre Verhältnis zu ihrer Umgebung neu bestimmen und praktizieren, wenn sie ihr übliches Verhalten, aus allem und jedem Profit zu schlagen, nicht ändern, werden sie ihrer Selbstvernichtung nicht entkommen können.
Deep Rising
Matthieu Rytz
USA | 2023 | 93 min
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